5 - Gottesinszenierungen im amerikanischen und deutschen Fernsehen [ID:1456]
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, vom Fest zum Event überschreiben wir vom

Interdisziplinären Zentrum Medien unsere Ringvorlesung und es ist keine Frage,

dass die Love Parade oder Theaterfestivals, Karneval oder antike Feste,

denen man seit Friedrich Nietzsche den Dionysischen oder auch Ecstatischen Charakter nachsagt,

in diese Reihe gehören. Aber ist ein Gottesdienst ein Fest? Geben Sie mir Gelegenheit heute vier

Skizzen zu zeichnen, die aus praktisch theologischer und publizistischer Sicht die

Begriffe Gottesdienst, Fest, Event und Medialität in eine nachdenkliche Beziehung bringen.

Skizze 1. Gottesdienst, ein Fest. Das praktisch theologische Nachdenken über den Gottesdienst,

das man in der Theologie als Liturgik oder Liturgiewissenschaften bezeichnet,

kann man in den vergangenen Jahrzehnten grob in zwei Linien zeichnen. Da gibt es die eine

Forschungslinie, die Liturgik historisch versteht und versucht den Gottesdienst aus seinen biblischen,

seinen kirchengeschichtlichen und dogmatischen Wurzeln und Begründungen zu fassen und den Ort

des Gottesdienstes in die christliche Lebens- und Glaubenspraxis einzuzeichnen. Diese Spur

könnte man als die traditionelle Liturgik bezeichnen, daneben aber hat sich eine andere

Spur etabliert, die sich mit dem Gottesdienst als einer performativen Handlung befasst. Der

Berliner Theologieprofessor Friedrich Schleyermacher, der die Theologie zu Beginn des

19. Jahrhunderts gelehrt hat, das Christentum als Religion zu betrachten und das religiöse

Gefühl der schlechthinigen Abhängigkeit des Menschen, das heißt aller Menschen zum Thema

seiner theologischen Reflexionen zu machen. Er hat als erster in seiner praktischen Theologie,

die er theoriefähig machte, den christlichen Gottesdienst als ein Fest bezeichnet. Zunächst

durch den relativen Gegensatz zum übrigen Leben und so dann durch das gemeinschaftliche Prinzip

und die geschichtlichen Ursachen, aus denen es hervorgeht. Nach Schleyermacher teilt der

christliche Gottesdienst diese beiden Elemente, Hervorhebung aus dem Alltag und Gemeinschaftlichkeit

mit anderen Volksfesten, wie er sagt, sofern sie sich wirklich lebendig erhalten. Der Festcharakter

eines Gottesdienstes macht sich für Schleyermacher an folgenden Kriterien fest. Das Fest entsteht

selbstklärend aus dem Gottesdienst. Es hat sinnliche Potenz. Es ist eine Versammlung von

Menschen, die fröhlich sein wollen und für alle Arten von Festen gilt, der Mensch will immer

sich selbst bewusst sein und das geschieht vor allem im Gottesdienst nach der Vorstellung

von Friedrich Schleyermacher. Das Selbstbewusstsein, sagt er, kommt jedoch nur vollständig zur

Darstellung, wenn das in einem religiösen Zusammenhang geschieht. Religion wird bei

einem Fest nicht erzeugt, sondern liegt ihr immer voraus, wobei die religiöse Ansprechbarkeit in

jedem Menschen angenommen wird. Das Fest ist die Unterbrechung des alltäglichen Lebens, denn,

Zitat Schleyermacher, in der Geschäftstätigkeit, also im Alltag, meint er, ist das Selbstbewusstsein

des Menschen zurückgedrängt. Der Freude am Herrn an sich entspricht aber das rein darstellende

Handeln, dessen allgemeiner Typus der Gottesdienst ist. Hier ist signifikanterweise im Zusammenhang

mit dem Gottesdienst nicht von Kultus oder vom Ritual die Rede, sondern zum ersten Mal

vom darstellenden Handeln. Und hier wird die Spur gelegt zu einer religionsphänomenologischen

Betrachtung und einer kulturwissenschaftlichen Betrachtung des Gottesdienstes als einem dargestellten

und inszenierten Akt, in dem sich die Gemeinschaft ihres kollektiven Gedächtnisses versichert und an

die sie begründeten Heilsereignisse und Heilserzählungen anknüpft. Dabei ist der

Gottesdienst der Christen eingebunden in eine integrierte Festpraxis. Gegenüber punktuellen

Beteiligungsformen wie Konzertevents bietet Kirche vom Zentrum des Auferstehungsfestes her

einen Verbund unterschiedlicher Beteiligungsformen auf Zeit. Im ecclesiologischen Kontext gehört

jedes Festdatum zu einer Festzeit. Der Kirchenjahresfest Kreislauf hat ebenso einen Wegcharakter durch das

Jahr vom Advent bis zum Ewigkeitssonntag, wie jeder Gottesdienst in sich einen Weg skizziert

vom Menschen, der mit seinen Lasten vor Gott tritt, sie sich dort abnehmen lässt, sich Wegweisung

gefallen lässt, sich stärkt im Mahl und sich dann aufgerichtet in den Alltag zurücksenden lässt.

Der Gottesdienst ist weiter eingebunden in eine paradigmatische Festpraxis, das Fest als eine

Abhebung vom Alltag, ebenso wie ein Spiegel des Alltags, gefeiert wird das Reich Gottes, das im

Alltag Gestalt gewinnen möge. Insofern ist der Gottesdienst als Fest im theologischen Charakter,

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Johanna Haberer Prof. Dr. Johanna Haberer

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:02 Min

Aufnahmedatum

2010-11-17

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:30

Sprache

de-DE

Der Vortrag "Gottesinszenierungen im deutschen und amerikanischen Fernsehen" in der Ringvorlesung "Vom Fest zum Event" an der FAU schreitet die praktisch-theologische Theoriebildung zum Thema Gottesdienst als "darstellendem Handeln" - wie es schon Friedrich Schleiermacher formulierte - ab, zeigt auf, wie die praktische Theologie in den vergangenen Jahren, die ästhetischen Dimensionen des Gottesdienstes und seiner medialen Präsentation im Fernsehen entdeckt hat und vergleicht am Beispiel einer Gottesdienstübertragung aus der Dresdner Frauenkirche die Reflexion und die Konzeption der Gottsdienstübertragungen im Deutschen Fernsehen mit den Medienevents, die amerikanische Fernsehprediger inszenieren.
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